Adventritt in die Wahner Heide

"In der Wahner Heide kann man ganz toll reiten", doch eigentlich ist es verboten, dieses militärische Übungsgelände überhaupt zu betreten, dies ist nur an Wochenenden und Feiertagen gestattet. Um in der Wahner Heide Reiten zu dürfen, muß man sich als erstes von "Verbotsvorschriften des Landschaftsgesetzes befreien lassen". Das geht relativ einfach, man schreibt ein formloses Schreiben an die Stadt Köln mit der Bitte, in der Wahner Heide reiten zu dürfen unter Angabe der Nummer der eigenen gelben Reiterplakette, denn die blaue Plakette WH xxxx (für Wahner Heide) ist nur in Verbindung mit einer gelben Plakette gültig. Die Blaue Marke kommt dann per Post auf Rechnung und teuer ist sie auch nicht. Für läpische 5,10 Euro (plus 2,80 Euro Verwaltungsgebühren) darf man bis auf Widerruf die Wege der Wahner Heide zu Pferde nutzen. Jetzt fehlt nur noch eine rote und eine grüne Plakette, dann hat Minchen fast einen Regenbogen um den Hals...

Auskunft erteilt Frau Ortlepp-Erler (02 21 221 22 77 4) vom Umwelt- und Verbraucherschutzamt Köln, Stadthaus - Willy Brandt Platz 2, 50679 Köln

Einmal werden wir noch wach...
Guten Morgen! Verschlafen blinzelt mir der Tankwart entgegen, kurz nach 8 Uhr, am heiligen 2. Advent, die Tankstelle hat gerade geöffnet, lasse ich den Kraftstoff duch den Einfüllstutzen strudeln. Benzin ist am Wochenende einfach deutlich billiger, jedenfalls hier in Leverkusen.
Die Sonne kommt langsam über die Baumwipfel gekrochen, schickt sich an mit ihren wärmenden Stahlen die frostigen Temperaturen milder zu stimmen, streift über den Hof und den Misthaufen, der dampfend vor sich hin gärt. Doch der Blick in die Tränken vom Paddock holt uns schnell in die Wirklichkeit zurück, der Pfützenrest ist steinhart gefroren und auch die Düse ziert ein dicker Kristall. Da ist nichts zu machen, heute müssen wir zum ersten Mal in diesem Winter Wasser schleppen. Der Rest ist fast schon Routine bis Minchen auf dem Hänger steht. "Was, schon wieder alleine?? Dann mußt Du vorangehen". Minchen ist da eigen. Also maschiere ich vor ihr auf den Anhänger, gleite an ihrer Seite vorbei wieder nach draußen, klinke die Heckstange ein und schon sind wir unterwegs, reden von einem Sommer am Strand, während draußen winterliche Minusgrade das Wasser seinen flüssigen Aggregatzustand nicht annehmen lassen. Ziel: die Wahner Heide, oder zunächst einmal die Stallgemeinschaft Turmhof in Rösrath.
Eisiger Ostwind fährt uns in die Glieder als wir dem warmen Auto entsteigen. Minchen steht in ihrer Decke ganz entspannt, diesmal hat sie garnicht geschwitzt, doch kaum ist sie von den Transportgamaschenbefreit, muß sie sich mächtig aufregen, buddelt ihr arttypisches Loch. Als auch noch die Herde des Turmhofs auf die Weide prescht verfolgt von zwei wild bellenden und rennenden Hunden ist es um ihre Ruhe geschehen. Jede Faser ihres Körpers bebt. Dieser verfluchte Strick aber auch, aber das Loch ist ja noch ausbaufähig und 3x äppeln in 10 Miuten ist ja auch kein Problem. Doch auch ein sturer Ponykopf sieht irgendwann ein, daß das Gezeter meinen Zweck hat und erinnert sich an die Tugenden eines wohlerzogenen gelassenen Fjordpferdes.
Das zweite Gespann trudelt ein, prima, dann könnten wir ja eigentlich gleich starten, doch zuerst wird Tee und - wie könnte es auch anders sein - Glühwein getrunken. Danach steht mir nun überhaupt nicht der Sinn. Ergeben führe ich Minchen auf ein freies Paddock, schaue solange bei Pferdeputzen und Kutsche anspannen zu, die wärmenden Sonnenstrahlen im Rücken. Kalt ist es fast garnicht mehr, aber ein frostiger Wind vertreibt jedes wohlige Gefühl. Minchen hat die Futtertröge entdeckt, putzt vergessene Gerstenkörnerauf, nimmt Kontakt zu den zwei Isis neben ihr auf. Der Umgang ist freundlich, die drei kennen sich schon vom Halloweenritt an Allerheiligen.
Endlich ist auch das Ritual des Teetrinkens beendet - "man bist Du ungesellig" - T'schuldigung, ich war draußen gesellig, hab mich aklimatisiert.
Schnell sind die noch zu putzenden Pferde gestriegelt, gesattelt und fertig zum Abritt. Ich sitzte auf einem Vulkan, Minchen schreitet aus wie ein junger Gott, voller Tatendrang, geschwind mogelt sie sich ander Kutsche vorbei, übernimmt mal wieder die Tete. Zwei Abzweige und wir sind da. Vor uns prankgt ein großes Schild "SPERRGEBIET". Das ist sie also, die Wahner Heide. Einmal kurz anhalten bitte, damit alle nachgurten können. Das paßt Minchen nun überhaupt nicht, ärgerlich schüttelt sie den Kopf, strebt voran.
Der Weg führt zurächst über Steine und Wurzeln hinein in den Wald, Ein paar umgefallene Bäume, herabhängende Zweige. Auch hier ist der Oktobersturm nicht unbemerkt vorübergezogen.
Kilometerlange Strecken über ebenen weichen Boden, sandig aber nicht zu tief liegen vor uns, ab und zu eine Pfütze, die Mincehn geziert umgeht, während Blanche mitten hindurch plantscht, daß das Wasser hoch aufspritzt und auch ein kleines Pony findet Gefallen an diesem fast bauchtiefen Naß. Die beiden Flitzehunde stöbern unermüdlich um uns herum. Plötzlich umgibt uns ein eigenartiges Geräusch. Neugierig recken wir die Hälse. Da haben wir es auch schon entdeckt. Über uns ziehen Wildgänse ihre Kreise, leicht auszumachen an ihrem v-förmigen Flug, schnatternd wie eine schlecht geölte Kutsche.

Die Wahner Heide
Auf einmal sind wir mitten in der Heide, der Blick schweift frei, so weit das Auge reicht. Dafür pfeift uns jetzt der Wind ungehindert um die Ohren, tief verkriechen wir uns in Schals und Jacken, wohl dem, der sich für die Mütze mit Ohrwärmern entschieden hat. Aufgewogen wird die Unannehmlichkeit durch ein wunderschönes Naturschutzgebiet, herrliche einladende Wege, einfach ein lohnendes Gelände. Die Pferde atmen befreit auf, als sie ein Stück und noch ein Stück und noch eines galoppieren dürfen. Besonders Minchen genießt den weichen Boden, zieht mächtig am Zügel, will mehr, viel mehr, aber die vielen Fußgänger schieben dem einen Riegel vor. An einem umgestürzten Baumstamm halten wir Rast. Während der Wind unvermindert weht wird Tee und Glühwein gereicht. Kein Gras - Minchen, das wäre bei diesem Wetter (Frost und Sonne) auch wahnsinnig gefährlich für Dich!
 

Pause am Baumstamm
 
alle Bilder: Silke Kandler

Zwei weitere Pferde von Turmhof stoßen zu uns. Gemeinsam reiten und fahren wir weiter. Da verliert ein Pferd seine Binde, das Feld pariert durch, während die Vorhut zunächst nichtsahnend weiterläuft - bis zum nächsten Baum. Was ist denn da hinten los? "Hallo, wo bleibt ihr" wiehert das Kutschpferd - "Binde verloren" tönt es zurück. So geht das :-)
Neun Pferde und vier Hunde zählt die Gruppe jetzt, sieben Reiter, drei auf der Kutsche und eine Läuferin. In der Ferne erscheint eine Horde Reiter in neongelben Manschetten. Über sanfte Hügel gelangen wir an die Achterbahn. Achterbahn? Was ist denn wohl darunter zu verstehen?
Ein tiefes Brummen erfüllt die Luft, in der Nähe startet ein Flugzeug, erhebt sich vom Köln Bonner Flughafen steil in den Himmel mit ohrembetäubenden Motorengeräusch. Vor uns schlängelt sich der Weg in dreidimensionalen Kurven durch die Heide - die Achterbahn, wie wahr. - oder eher die "wilde Maus". Hinab in eine Senke, hinauf auf eine Bodenwelle, rechts um eine Kurve, Links um eine Pfütze herum oder einfach mittendurch, der sandige Untergrund macht es gefahrlos möglich. Huiii macht das Spaß! Sogar Minchen taut auf, beäugt kurz ihr sonst so furchterregendes Spiegelbild und watet durch das eiskalte Wasser, springt munter über die Unebene. Die nächste Erhebung hinauf und vorsichtig! auf der anderen Seite wieder hinunter, was für ein Vergnügen.
Minchen ist in ihrem Element.

Wir überqueren eine letzte Wiese, auf einmal liegt viel zu früh der Rand des Sperrgebietes wieder zu unseren Füßen. Nur noch ein paar Schritte, Asphalt, zwei Ecken, ein Waldstückchen und wir sind zurück am Turmhof. Minchen wird auf den Paddock geschickt. Die Isis dürfen auf dem Parkplatz vom Tekkelklub ein wenig Gras mümmeln. Dort parkt auch ein Auto. Naja, und Minchen und Auto ist irgendwie inkompatibel. Minchen auf's Gras schicken, wo ein Auto parkt, das hat schon einmal in einen Versicherungsfall geendet - Auto von Pferd angeknabbert - aber das ist eine andere Geschichte uns soll ein anderes Mal erzählt werden. Wir wärmen uns bei Tee oder Glühwein, Apfel- und Pflaumenkuchen in der Küche von Familie Kaesmacher die erfrorenen Extremitäten bei fröhlichem Geschwätz oder ermatteten Zuhören.

Wunderschön aber lausekalt
Auch ein lausigkalter wunderschöner Wintertag geht zu Ende und so packen wir ind er Dämmerung unsere Sachen und treten bei hereinbrechender Dunkelheit den Heimweg an.
Auf dem Herweg sind wir hier Links abgebogen, also müssen wir jetzt rechts, alles klar, der Rückweg ist leicht zu finden. Doch plötzlich ist guter Rat teuer. Rechts ist eine Sackgasse, Links Einfahrt verboten, verdammt, wir sind durch eine Einbahnstraße gekommen! Da ist ein einsamer Radfahrer, "T'schuldigung, wie kommen wir denn hier raus, ich meine zurück zur Hauptstraße?". "Ach, zur Hauptstraße, da müssen sie hier wenden" - wenden, na bravo! "hier rechts und in der Kurve wieder rechts". Hat geklappt. Ohne weitere Pannen erreichen wir die Autobahn.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Nachwort
Heute sind auffällig viele Idioten unterwegs. Ein Porsche direkt hinter uns überholt noch in der Beschleunigungsspur, zum Glück habe ich ihn gesehen. Am Heumarer Dreieck staut sich der Verkehr, weil wie vile zu oft mit viel zu wenig Abstand gefahren wird und der einscherende Verkehr kaum eine Chance hat. 5 PKW vor dem Pferdeanhänger, 1 dahinter, das nennt man heute Reisverschluß, ist doch logisch, daß es da klemmt, oder bin ich die Einzige, die Platz läßt? Offensichtlich.
Durch die Fahrbahnführung befinden wir uns auf der mittleren Spur, Zeit nach Rechts zu wechseln. Frühzeitig setzte ich den Bliner, trotzdem müssen sich natürlich noch 2 Autos RECHTS vorbeidrängeln, die Linie ist zwar noch durchgezogen, aber zum Kuckuck, muß das wirklich sein? Ein Wunder, im rechten Außenspiegel sehe ich eine Lichthupe, da hat es einer kapiert.
Selbst in der Ausfahrt werede ich noch wieder rechts über den Standstreifen von 2 Fahrzeugen überholt, Idioten! Denkt ihr, ich ziehe einen gläsernen Pferdeanhänger, Rundumsicht garantiert? Ist das tatsächlich nötig? Meint ihr, ein Pferd kann sich im Kringel ausbalancieren, wenn ich um die Kurven heize, Bremsen erst im allerletzten Moment? Schon mal was von Zentrifugalkraft gehört? Das ist die Kraft, die Euch aus der nächsten Kurve holt. Könnt ihr Euch in Eurem winzigen egoistischen Hirn vorstellen, warum es strikt verboten ist, Menschen in Anhängern zu transportieren?
 
 
 

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