Pferd selber einreiten
mein Erfahrungsbericht
In Cavallo 1/2004 las ich einen Aufruf, von den eigenen Erfahrungen
zu berichten, wenn man sein Pferd selber eingeritten hat. Als ich so Minchens
und meine Geschichte rekapitulierte, stellte ich fest, daß sie doch
ganz spannend war und so möchte ich meine Erfahrungen gerne schildern.
Allerdings war mein Minchen, als ich sie 12 jährig bekam, nicht völlig
roh sondern bereits ein – und zweispännig von einem Fahrlehrer eingefahren
aber nur sporadisch (2-3x im Jahr) gefahren worden – auch hatte ich schon
mal drauf gesessen. Überraschend einfach war das erste Aufsitzen,
überraschend schwierig war es, das Pferd davon zu überzeugen,
mit dem Reiter nun auch vorwärts zu maschieren. Das Pferd wollte lieber
rückwärts gehen. Jede treibende Hilfe, ob Schenkeldruck, Peitsche
oder Stimme wurde mit Kopfschütteln, Scharren oder Buckeln quittiert.
Da half nur warten oder absitzen und führen. Etwas besser klappte
es mit einem zweiten Pferd als Begleitung. Trotzdem wollte ich unbedingt
dieses Pferd haben.
Als ich sie endlich zusammen mit ihrem Weidekumpel (26) holte, das
war im September 2000, war sie 12, ein Weidepony ohne Kondition, dafür
mit viel Übergewicht und eben nicht eingeritten. Ich selber beendete
damit eine ca. 8 jährige Reitpause. Die ersten Tage konnte ich außer
Putzen und Führen überhaupt nichts mit ihr anfangen, weil der
neue Stall, fremde Pferde, überhaupt viele Pferde ja alles viel zu
aufregend war. Doch schon der erste Ausritt klappte viel besser als erwartet,
das Pferd hat kein einziges Mal in den Rückwärtsgang geschaltet.
Ich glaube ihre Touren in der Vergangenheit waren Audruck mangelnden Vertrauens
und großer Unsicherheit. Am Anfang habe ich viele Schrittausritte
mit ihr gemacht, in der Gruppe und auch alleine. Anhalten und Beschleunigen
(Antippen mit dem Zügelende) kannte sie ja von der Kutsche, nur auf
den Schenkel reagierte sie mit „dagegenlehnen“ oder Buckeln. Auf dem Platz
wollte sie überhaupt nicht mitarbeiten, was am schlecht sitzenden
Sattel lag, so daß ich hier die ersten drei Wintermonate nur Zirkel
und ganze Bahn im Schritt verlangen konnte, denn nach einer Runde im Trab
war sie bereits von der Ohrenspitze bis zum Schweifansatz schweißgebadet.
Auch war sie recht „guckig“, man mußte sie beständig korrigieren,
sonst lief sie einfach ihrer Nase hinterher. Darum entschloß ich
mich, sie zunächst in der klassischen englischen Reitweise auszubilden,
obwohl ich eigentlich western reiten wollte. Im März 2001 hatte sie
soweit abgenommen, daß ich ihr einen passenden Westernsattel kaufen
konnte, bis dahin war ich halt ohne Sattel geritten.
Was überhaupt nicht klappen wollte, war das Galoppieren in der
Bahn und um Kurven, darum ließ ich es zunächst einfach sein.
Denn ich hatte sie auf der Wiese beobachtet, auch dort fiel sie, wenn sie
von anderen Pferden gejagt wurde und um eine Kurve mußte lieber in
den Trab. Ich wollte, bevor ich konsequent mit Galopp anfange, das Pferd
erst versammelter und ausbalancierter haben. Der Galopp war für sie
auch sehr aufregend.
Dem Schenkel lernte sie über Stimmkommandos gehorchen. Das Pferd
reagierte ausgesprochen positiv auf gesprochene Kommandos, so brachte ich
ihr vom Boden aus Seitwärtsgänge bei (Schenkelweichen) und konnte
diese später vom Sattel aus abrufen. Vor- und Hinterhandwendung, sowie
das Seitwärtsrichten über eine Stange vor einer Bande sind hervorrangende
Übungen dazu. Stellungen wie Schulter herein oder Kruppe herein prima
Kontrollen. Aber nach einem Jahr war ich mit meinem Latein am Ende und
ging mit ihr in den Gruppenunterricht. Das war im Oktober 2001. Allerdings
ging es hier für uns viel zu flott voran, so daß wir das ziemlich
bald wieder aufgegeben haben, z.B. war eine Übung „große und
kleine Zirkel galoppieren“, wo wir noch nicht einmal überhaupt einen
Zirkel galoppieren konnten. Das lernte sie erst mit Hilfe eines anderen
vorangaloppierenden Pferdes und an der Longe. Danach konnte ich sie angaloppieren,
aber nicht durchgaloppieren. Hier kam der Durchbruch erst viel später
und im Gelände. Dafür klappten die Trailübungen sehr gut
(ein kleines Schrittchen nach hinten und einen Schritt zur Seite, noch
einen kleinen, dann kann ich das Tor zu machen, voila) Ich nahm mit Einzelunterricht
bei einem neuen Trainer (September 2002), der erstmal zwei grundätzliche
Fehler bei mir ausgemerzt hat und plötzlich war der äußere
Schenkel da und unser Zirkel rund, aber woher wußte Minchen das?
Je besser ich wieder ritt, desto besser wurde auch mein Pferd. Ich arbeitete
nun mit ihr an der Versammlung, Tempowechsel (im Trab) und Trabverstärkung.
Nach wie vor ritten wir hauptsächlich im Gelände. Das Pferd
sollte alles kennen lernen, was ein gutes Distanz- Gelände- und Freizeitpferd
können muß. Solange der Weg geradeaus ging, konnten wir auch
prima galoppieren. Doch was macht ein wasserscheues Pferd nach ausgiebigen
Regenfällen? Es galoppiert mit fliegenden Galoppwechseln um die Pfützen
herum!
Im Sommer 2003 haben wir ein erstes Turnier genannt, unter anderem
eine Reining. Das war vor allem Ansporn, nun endlich konsequent am Galopp
zu arbeiten und hat auch funktioniert. Unsere Vorstellung war allerdings
nicht schön, weil ich doch noch einiges an Überzeugungsarbeit
leisten mußte, daß ich es nach 3 Jahren nun doch ernst mit
dem Galoppieren meine, wo doch bisher auch alles im Trab ging. Nach einer
Woche Nordsee im Watt und mehreren Ausflügen in wunderschöne
Reitgebiete neben einem Pferd, das praktisch in Zeitlupe galoppiert, klappte
auch hier endlich der Durchbruch, der Galopp wurde rund und geschmeidig.
Minchen galoppiert nun auch auf dem Platz ganz gelassen große Zirkel
und auch ganz kleine Zirkel. Wir arbeiten nun daran, genau „auf den Punkt“
zu reiten.
Je besser ich reite, desto besser geht auch mein Pferd. Als Abwechslung
nehmen wir unseren Rentner (inzwischen 30) als Handpferd mit ins Gelände,
Fahren vom Boden Trailhindernisse (das kann sie super) und üben auch
ein wenig Freiheitsdressur.
Mein persönliches Fazit aus der Geschichte, man muß schon
ein wirklich guter Reiter sein, wenn man ein Pferd ausbilden will. Das
meiste lernte mein Pferdchen „von alleine“ mit der Zeit, learning by doing.
Viele Hilfen sind wohl selbsterklärend für Pferde.
Ein sehr spannender Moment war der Tag, als ich eine Freundin eine Reitstunde
auf Minchen reiten ließ. Hat sie wirklich etwas gelernt, oder haben
wir uns einfach „zusammengerauft? Doch es funktionierte.
Am Schwersten fiel es mir, die Geduld nicht zu verlieren, nicht zornig
zu werden, wen eine Übung so überhaupt nicht klappen wollte,
denn so eine Ausbildung aus dem Nichts heraus ist auch mit viel Frust verbunden.
Da half es immer, eine längere Pause einzulegen, wo wir nur ins Gelände
gegangen sind. Denn nach so einer Pause war der Knoten fast immer geplatzt.
Ich glaube, wenn ich wieder in die Verlegenheit käme, und vor
einem guten und ehrlichen Pferd stände, das „nur“ nicht eingeritten
ist, ich würde es wieder nehmen. Allerdings würde ich mich auch
nach dieser Geschichte niemals gezielt nach einem Jungpferd umsehen, um
es selber auszubilden. Aber ich würde mir auf jeden Fall Hilfe in
Form von Einzelunterricht nehmen. Ich würde wieder konsequent meinen
Weg verfolgen, ohne Peitsche, ohne Sporen, ohne Shanks und mit viel Zeit
und Gelände und Abwechslung und zwischendurch mal ein Turnier für
den Ehrgeiz.
Hilfreich war das Buch „Gymnastik für Geländepferde“ von
Sabine Küpper.
Zu Minchens Geschichte: Das Pferd kam 1988 im Alter von ein paar Wochen
als Saugfohlen in die Familie. Neben ihrer Mutter wurde sie als Kutschpferd
ausgebildet, stand aber hauptsächlich als „fünftes Rad am Wagen“
auf der Wiese, wo sie sehr fett wurde und an Hufrehe erkrankte. Das war
auch die Warnung, die ich mit auf den Weg bekam, aber auf der Weide wäre
sie mit Sicherheit nur noch kränker geworden. Das Pferd brauchte dringend
Arbeit.
Schwierig ist es auch, das Pferd auf der einmal erreichten schlanken
Linie zu halten und dies auch gegenüber Miteinstallern durchzusetzen,
daß ein Pony durchaus schlank sein darf.
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