Alles fjordig

Stopp & Go
26. Mai 2007

Minchen, ich habe mal wieder knapp verschlafen, du must heute leider im Anhänger frühstücken. Die Box lassen wir, wie sie ist. Wir haben noch einen kurzen Abstecher nach Dormagen vor uns, dann bekommst Du Gesellschaft.
Judith zögert, Minchen benimmt sich nicht gerade einladend, mit ein wenig Überredung klappt es aber doch. Die beiden Stuten beschnuppern sich, Minchen legt die Ohren an, bleibt aber friedlich. Das zweite Gespann ist auch startklar, na, dann wollen wir mal. Auf nach Gut Waldau.
Hei, da vorne ist noch ein Pferdeanhänger mit zwei Fjordies drauf, die wollen bestimmt auch nach Rheinbach, sind aber viel zu schnell für uns. Prompt fahren wir an der Einfahrt vorbei, egal, 200 Meter weiter gibt es eine prima Wendemöglichkeit. Auf Gut Waldau erwartet uns ein großer Parkplatz , aber der Pferdeanhänger von der Autobahn ist nicht da, nanu? Wir sind doch nicht die Ersten??? Das Rätselraten wird schnell beendet, Andrea begrüßt uns und winkt uns durch zu den Weiden. Oh, prima, da ist noch viel mehr Platz und noch zwei Pferdeanhänger. Großes Hallo.
Wir laden als erstes die Pferde aus. Minchen stürzt sich gleich auf das Gras, das "freilaufende Pony vom Grunderhof" wird öfter mal von Spaziergängern eingesammelt, so auch heute. Als ich zurückkomme ist sie angebunden.
Nach und nach trudeln die anderen Pferdeanhänger ein, siebzehn Reiter haben sich angekündigt. Es wird voller, trotz der unsicheren Wetterprognose hat keiner gekniffen, zwei kündigen telefonisch ihr Zuspätkommen an, es sind aber nur ein paar wenige Minuten. Langsam wird es Zeit zu satteln. Die Regenjacken kommen zur Sicherheit mit, auf Gut Waldau regnet es nie und wenn 17 Sonnenpferdchen unterwegs sind ganz bestimmt nicht.


Pünktlich 11 Uhr, aufstellen zum  Gruppenfoto
und ... Abmarsch


Zuerst possieren wir für das Gruppenfoto auf dem Reitplatz, Merkur der Hengst und Prinz laufen vorne, die Anderen schliessen sich an. Minchen übernimmt freiwillig das Schlusslicht, heia nix da, heute ist nicht Extremtrödeln angesagt, wir können auch langsam, aber wir müssen nicht. Dressur, klassisch, Western, Wanderreiter, baumlos, alle möglichen Ausrüstungen sind hier zusammen gekommen, mit Eisen, mit Schuhen, barhuf, mit Gerte oder ohne, gebisslos oder auf Trense. Ein Fjord wird sogar mit vier Zügeln gelenkt. Direkt hinter Gut Waldau müssen wir eine Straße überqueren, ein Auto ist nicht in Sicht. Dahinter liegt der Wald, nach dem Regen der vergangenen Tage begegnen wir dem ein oder anderen Matschloch. Richtige Reitwege angeschüttet mit Lavaasche gibt es hier im Voreifelland und auch Berge. Gleich am ersten Matschloch passiert es, oh Schreck oh Schreck, der Schuh ist weg, ein schwarzer Easyboot ist schnell wieder angezogen, doch am zweiten Matschloch ist er gleich wieder weg, diemal gründlich und für immer. Da beim Suchen nach dem Schuh auch der zweite Schuh stecken bleibt, wird dieser hinter einem Baum deponiert, die sechzehn anderen Fjords warten zwar geduldig, aber so eine Gruppe macht den Suchenden doch nervös... Hjerkinn läuft die Strecke ab jetzt barhuf.
Minchen hat sich bei der Aktion an die vorletzte Stelle geschoben, mit zwei Pferden, die von hinten treiben läuft sie deutlich schneller.

Noch das ein oder andere Matschloch wartet auf Schuhfutter, diese müssen aber leider entäuscht werden. Nun werden die Wege breiter und fester, da könnte man doch auch mal schneller reiten, oder? Kaum ist die Meldung bis nach hinten gedrungen, geht es auch schon los, im flotten Galopp durch den Wald und um die Kurven. Mein Pony kommt kaum mit und legt ordentlich los, da haben wir die letzten zwei Reiter auch schon abgehängt, was diese zwei allerdings nicht aus der Ruhe bringt. Die Gruppe ist recht diszipliniert, keiner überholt weil "sein Pferd so langsam nicht galoppieren kann". Etwas gesitteter landen wir an einer Kreuzung, Haaaalt, wir haben zwei Reiter verloren und ups, zwei Schuhe! Minchens gelbe Marquis, beide futsch, das gibts doch nicht, dabei hatte ich die doch extra feste aufgepumpt heute. Kurzentschlossen trabe ich die Strecke zurück, wenn ich Glück habe, finde ich meine Schuhe vor den anderen beiden Reitern. Minchen trennt sich zu meiner Überraschung völlig problemlos von der Gruppe und legt ein schnelles Tempo vor. Vielleicht hat sie den Verlust der zwei Fjordies bemerkt und eilt schnell zurück? Mein Eindruck war, daß die letzten beiden Reiter einfach nicht so rasant hatten galoppieren wollen, Kurt war als gemütlicher Vertreter seiner Rasse angekündigt gewesen, der auch dann die Ruhe behält, wenn die Gruppe am Horizont enteilt.
Ja, hurra, keine fünfzig Meter zurück liegt der erste der gelben Marquis, schnell aufgelesen, am Sattel festgeknotet und weiter den beiden Reitern entgegengetrabt. Zwei Spaziergänger frage ich, ob sie zufällig den Bruder meines Schuhes gesehen haben, ja, haben sie, zwei Reiter hätten den gerade aufgehoben, das ist gut. Erleichterung wollte sich schon in mir breit machen, aber wie sich herausstellte hatten die zwei direkt zu Anfang ebenfalls zwei Schuhe verloren, Marquis in schwarz, die zumindest vorne sich sonst nie selbstständig machen. Meinen gelben Schuh hatten sie nicht gesehen, verd... Da die zwei noch mit Schuh anziehen beschäftigt waren, trabte ich noch schnell zum Anfang der Galoppstrecke zurück, kein Schuh. Sch... drauf. Schnell zurückgetrabt, mit Argusaugen den Weg und die Böschung beobachtet, kein Schuh. Schweissperlen bilden sich an Minchens Hals. Nun waren auch die anderen beiden wieder startklar, traben wir, dann müssen die Anderen nicht so lange warten. Ja, wenn Du dann Deinen Schuh finden kannst - ja kann ich - denn hurra, da liegt er! und hinter mir gleich noch einer, denn der erste Schuh hat sich vom Sattel gelöst. Der Wald ist verhext. Doch der Seilzug hängt noch am Sattel, ich knote also alles richtig fest, nun kann sich nichts mehr lösen und der Boden ist so weich, dass Minchen hier problemlos ohne Schuhe laufen kann. Socken hätten es sicher auch getan, man sollte gut Tipps eben nicht nur weiter geben  - denn Judiths Schuhe halten - sondern auch selber beherzigen, wenn die Schuhe auch "sonst immer" halten, in letzer Zeit hat Minchen sich öfter einen ausgezogen, aber das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll. Vielleicht hat der Maaswald die Hufe doch zu kurz gemacht.
Schnell traben wir wieder weiter, als Andrea von vorne auftaucht, wo wir denn bleiben. Alles klar.
Ein paar mal noch habe ich "Alle noch da" oder "Schuh weg" gebrüllt, aber es waren nicht mehr meine. Beim nächten Galopp blieb alles dran.

Pause, Minchen träumt Minchen träumt noch immer
oh, sie ist aufgewacht, so kenne ich sie

Einen winzigen Bach müssen wir durchqueren, das Rinnsal ist so schwach, daß Minchen dies nichtmal als Tränke anerkennt, doch andere springen mit einem großen Satz hinüber. Auf der anderen Seite müssen wir eine Böschung hoch, als eine Gerte als vermisst gemeldet wird. Diese wird wohl beim ersten Schuhunglück liegen geblieben sein.
An einem Wanderparkplatz ist ein großes Areal extra für uns mit Baumstämmen abgeteilt - nicht extra für uns? macht nichts, es ist auf jeden Fall sehr praktisch. Ein Fjord nach dem anderen steigt mit großen Schritten über die Baumstämme hinweg, eines springt locker hinüber, nur Minchen und Fuzzy finden das Hindernis zu hoch. Ein wenig Überredungskunst ist nötig, bis Minchen zögerlich Millimeter für Millimeter die Hürde übersteigt. Nun sind alle siebzehn Fjords in der Festung, die einen frei, die anderen am losen Zügel, die einen dösen, die anderen versuchen ihren Reitern eine Mahlzeit zu entlocken, andere wieder haben Spaß daran, ihre Kunsttückchen zu zeigen. Minchen hält sich abseits und blickt verträumt vor sich hin, während Frodo das Laub der umliegenden Bäume kostet.
Die Schuhe vom Sattel wandern in das Troßfahrzeug.


Zwiesprache mit Fjordies


Wie im Fluge ist die Pause vorbei. Aufgrund der Verluste auf dem Hinweg beschließt Andrea, die die Gruppe führt, eine ähnliche Strecke zurück zu nehmen, damit Gerte und Schuh zu ihren Besitzern zurückfinden.
Zuerst kraxeln wir den Berg wieder hinunter, Peanuts für Minchen, die inzwischen das Bergische Land kennt, nicht ganz so einfach für die Flachlandtiroler. Der sonst so ruhige Fjord Kurt wird bei diesem Abstieg doch ein wenig nervös, als die Gruppe davon schreitet, bitte warten. Kein Problem. Da hat auch Kurt sein Norwegergemüt wieder gefunden.
Ab durch den Wald geht die Post wieder im Galopp, vor einer scharfen Kurve wird vorne kurz durchpariert, doch dahinter geht es gleich weiter, bis nach hinten dringt der Stop natürlich nicht und so fetzen die Fjord um die Kehre, schwups, da hat es wieder einen Schuh erwischt, diesmal zwei Easyboot.
Geduldig wartet die Gruppe, bis auch diese Schuhe wieder am Huf sind. Ich mogele mich derweil mal vorsichtig an der Gruppe vorbei, immer nur Schweife zu fotografieren ist ja auf die Dauer langweilig ... auch wenn es hübsche zweifarbige Norwegerschweife sind, die lustig vor uns herwedeln.

unterwegs


Ja, so bekomme ich die Gruppe auch mal von vorne auf das digitale Transparent gebannt. Schon steht die nächste Pause an, um die vermisste Gerte zu suchen. Die Suche gestaltet sich etwas länger, bleibt aber erfolglos.
Hinaus in die Felder reiten wir jetzt, zwischen blühenden Wiesen hindurch, an Kuh- und Pferdeweiden vorbei mitten doch das hohen Gras. Alle Schuhe halten. Bei den ersten meldet sich das Sitzfleisch, "wer sein Pferd liebt, der schiebt", nein, es heißt doch Wanderreiten: "Wandern und Reiten", die ersten Reiter sitzten ab und führen ihre Pferde. Klirr, da hat es ein Eisen erwischt. Das nagelt man nicht mal eben so wieder an, Beschlagswerkzeug hat auch keiner dabei, aber Aila läuft tapfer ohne Eisen weiter.
Einen letzten Stop legen wir noch im Wald ein, um den versteckten Schuh zu bergen, da sind wir nach knapp fünf Stunden Ritt wieder da.
Die Tempostatistik des Rittes: Stop and Go

aus dem Wald
durch die Wiesen
über die Felder

Ein letztes Abschlußfoto noch auf dem Reitplatz, dann werden die Pferde versorgt, gewaschen, Paddocks abgesteckt und zum gemütlichen Beisammensein bei reichhaltigem Salatbüffet mit gegrillten Garnelenspießen zusammengesessen.

Müde und gesättig treibt es uns zum Heimweg, ob Judith nach Hause besser einsteigt? Nein, Judith würde natürlich viel lieber mit Aila fahren. Nach dem Strickende keilt sie heftig aus, aber der Trick, ein Bein vor das Andere zu setzen hilft diesmal. Nach nur zehn oder waren es fünfzehn? Minuten steht sie auf dem Anhänger, Minchen steigt schnell dazu, wir sind startklar.
Kurz nach 20 Uhr bringen wir sie heim, knapp 21 Uhr sind wir selber zu Hause. Minchen möchte sich gerade über das Gras an der Böschung hermachen, als ein heftiges Gewitter aufzieht. Freiwillig verzieht sie sich in ihren Stall, ich suche schleunigst im Anhänger Unterschlupf. Laut prasselt der Regen, im Nu steht alles unter Wasser. Gemistet habe ich an dem Abend nicht mehr. Schön war der Ritt.

Anmerkung:
Dies sind meine ganz persönlichen Eindrücke des Rittes und müssen nicht unbedingt mit den Eindrücken der ganzen Gruppe korrelieren.

Fazit:
Wir hatten richtig Glück mit dem Wetter, woanders muß es ordentlich geschüttet und gewittert haben, aber wenn Sonnenpferdchen unterwegs sind ...
Die Lavaasche entwickelte eine überraschende Affinität zu Hufschuhen, so daß diese öfter mal einfach ohne ihre Träger stehen blieben. Manche Schuhe haben gehalten, andere weniger. Schwups da war ein Eisen weg, das zieht man nicht so einfach wieder an.
Das war ein cooler Ritt.
Der Ritt in Bildern ->
 
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