Halloweenritt an Allerheiligen

Garnicht so früh, mit einem ausgedehnten Frühstück im Bauch am Tag aller Heiligen fahre ich hinauf zum Stall, laße in aller Ruhe die Pferde hinaus auf das Paddock, miste, suche meine Sachen zusammen, halte noch ein Pläuschchen mit anderen Frühaufstehern und spanne an. Schließlich wird es Zeit, ich hole mein Stütchen aus der Stutenherde, bürste ihr plüschiges Winterfell, bereite sie auf die Fahrt im Anhänger vor. Ausgestattet mit guten Wünschen, Schmetterlingen im Bauch aber voller guter Laune machen wir und auf den Weg.
Da der offizielle Teil mangels Teilnehmerzahl abgesagt wurde, trafen wir uns kurzerhand mit dem Hänger bei den Wiehbachtalern und verlegten den Ritt ins Bergische Land, nach Scheuren bei Odenthal. Minchen wundert sich wohl, als es weiter geht, ohne daß sie sich die Beine vertreten darf, ohne daß wir einen Gast aufnehmen oder sie umgeladen wird, aber solange der Hänger geschlossen ist, steht sie brav. Wir folgen dem anderen Hänger mit Billy durch die Ausläufer von Leverkusen, um Kreisel herum, an Verkehrsinseln vorbei, durchqueren den malerischen Ort Odenthal und gelangen um zwei Linkskurven herum auf die Bergstraße, die uns in Serpentinen direkt nach Scheuren führt. Derart durchgeschüttelt gelangen wir vor die Tore eines Bauhofes in einer versteckten Nische, wo wir genügend Platz für unsere zwei Gespanne finden. Außerdem befindet sich dort ein stabiler Anbindebalken, wo schon zwei ortskundige Isiponies samt ihren Reiterinnen warteten. Es wird nicht lange gefackelt, nach einer kurzen Begrüßung werden die Pferde gesattelt und es geht los. Minchen noch aufgedreht von der Kurvenfahrt - die Bollen hat sie bis in den Bug gekegelt - maschiert gleich voran als gelte es, einen Wettbewerb zu gewinnen. Doch der Weg am Zaun entlang ist aufgeweicht und rutschig und so zügele ich das Tempo. Dann geht es hinab in den Wald, an einem Bachlauf entlang und bald schon wieder aufwärts. Spaziergänger sind nur wenige unterwegs an diesem trüben lauen 1. Novembertag. Ganz kurz droht ein Schauer über uns hinwegzuziehen, es rauscht in den Bäumen und ein ganz wenig Sprühregen trifft uns auch, aber das ist nur kurz und kaum der Rede wert. Minchen springt über ein Stöckchen und nimmt den Hang im Galopp. Doch solche Phasen sind nur kurz, zu hart und zu steinig sind die Wege.
Oben angekommen wenden wir uns wieder dem Tal zu. Zum Teil direkt, zum Teil in Serpentinen und ein wenig rutschig verläuft der Weg unter tiefhängenden Zweigen durch. Ein dünner unscheinbarer Zweig schlägt mir ins Gesicht, vor mir der gähnende Abgrund, ich beschließe, daß ich mich daran erst gewöhnen muß und sitze zur Erheiterung der Mitreiterinnen bei nächster Gelegenheit ab, laufe immer hübsch an der Hangseite meines Pferdchens, damit es im Zweifel nicht auf mich purzelt. Der lichte Laubwald ist den grünen Kiefern gewichen. Tiefe Tracktorspuren zieren den Humus. Sanft gleitet der Weg ins Tal hinab und ich sitzte wieder auf.
Am nächsten Berg trennt sich wieder der Spreu vom Weizen. Während der ortskundige Isi und der Isimix unverdrossen bergan maschieren, sieht Minchen sich immer wieder nach Billy, dem gewaltigen Shire-Welsh um, wartet bis er aufgeschlossen hat, läßt ihn aber nicht ganz herankommen. Wo ist Billy, wir müssen doch auf Billy warten!

Der Sturm von letzter Woche hat mit über 200 Stundenkilometern kräftig gewütet, der Weg ist uns versperrt, so daß wir eine Abkürzung wählen müssen, direkt den Berg hoch. Eng ist der Weg, gerade mal ein Pfad, die Wurzeln und Steine bilden Treppenstufen über die die Pferde im Gänsemarsch klettern müssen und immer wieder zwingen uns umgestürzte Bäume ins Dickicht. Ich kralle meine Finger in die kurze Norwegermähne und versuche, meinem bergunerfahrenen Fjordpferdchen blind zu vertrauen. Das ist steil, das ist anstrengend. Mühsam aber tapfer bahnt sich Minchen ihren Weg, kämpft sich immer höher hinauf, überwindet Kiefern und Baumstämme, Brombeerranken und Gestrüpp, bleibt kurz stehen um Atem zu schöpfen und klettert tapfer über die Hindernisse bergan. Da passiert es, auch Billy bleibt stehen, Minchen will sich vorbei drängelnd, das darf sie nicht. Meine Stiefelspitze bohrt sich in Billys Po, das gefällt ihm garnicht und er gibt es deutlich zu verstehen. Nun hält Minchen Abstand.
Endlich ist es geschafft, nur noch eine umgefallenen Baumgruppe umrunden und der Weg ist wieder frei, läd ein zu einem befreienden Trab. Ich bin schon ein wenig beeindruckt von dem Ehrgeiz meiner Stute. Geradeaus hat sie Gelegenheit, sich zu erholen.

Bergab ist es ganz anders, da übernimmt Minchen die Tete, gleitet mit ihren Eisen den Asphalt hinunter, ist kaum zu bremsen. Auf Billy warten - wer ist Billy? Selbst die Isis haben Mühe dran zu bleiben -oder sind sie einfach nur viel vernünftiger???
Hinaus aus dem Wald geht es den mittlerweile vierten Hügel hinauf. Minchen wirkt langsam wirklich erschöpft. Also sitzte ich mal wieder ab und laufe ein Stück. Denn "wer sein Pferd liebt - der schiebt" - oder hatte das eher etwas mit Fahrrädern zu tun? Da habe ich aber die Rechnung ohne mein Minchen gemacht. Befreit von meiner Last im Trab geht es leichter, immer schneller greift sie aus und zieht mich am Zügel hinterher bis ich auch laufe und mir die Puste ausgeht. Die Straße ist hier richtig naß, es scheint wir haben unheimlich viel Glück mit dem Wetter, denn WIR sind trocken.

Wir reiten durch ein nettes Örtchen namens Hüttchen hindurch, an einer Straße entlang und schon werden wir wieder in die Wildnis geführt. Wald ist hier ganz bestimmt keine Mangelware. Das hat einen bedeutenden Vorteil gegenüber der niederrheinischen Tiefebene: man kann auch Samstags zwischen Mitte Oktober und Mitte Januar ausreiten, ohne tausend Ängste ausstehen zu müssen, unvermittelt in einer Horde von Treibern und einen aus einem Autotroß herausquellenden Schwarm von schießwütigen Jägern zu geraten.

Fast ist es geschafft, ich kann die Waffeln förmlich schon riechen. Die Isis sind an ihrem Offenstall angelangt und wir legen den lezten Rest des Rittes mit einer guten Wegebeschreibung ausgestattet alleine zurück. Zurück im Wald, über Stöckchen und Stöcke führt die breite Schneise hinab zum Bachlauf. Ein schmaler Holzsteg ist darüber gelegt, geeignet, Hunde und Füßgänger trockenen Fußes an das andere Ufer zu geleiten, jedoch völlig untauglich für Pferde. Billy kennt das schon, er watet wie empfohlen rechts daran vorbei durch das gurgelnde Wasser, während Minchen das Ganze mißtrauisch beäugt und entsetzt zurückweicht, als der Boden unter ihren Hufen nachgibt. Nun gut, ich sizte wieder ab und maschiere voran, hindurch durch das kühle Naß, tief ist es nicht. Minchen versucht über den Steg auszuweichen, dumm ist sie nicht, aber schließlich folgt sie mir waagemutig, setzt ihre Hufe ins fließende Feucht und plantscht durch das Wasser. Gleich springt sie mir mit einem Satz in den Rücken, aber nein, sie beherrscht sich. Hier ist es ein wenig morastig, deshalb sitzte ich gleich wieder auf, wir traben ein Stück, denn die Dämmerung bricht herein und die Waffeln locken. Noch einmal führt der Weg bergauf. Minchen trabt an, bleibt stehen, nur um wieder ungestüm vorwärts zu ziehen. Langsam hat sie wohl genug, da sind wir auch schon wieder am Hänger. Die Pferde werden versorgt, das feuchte Winterfell in eine warme Decke eingepackt auf die Wiese entlassen. Minchen ist erschöpft und hungrig, stürzt sich gierig auf das Gras, während Billy sich genüßlich wälzt. Zunächst merkt sie garnicht, daß es Dunkel wird, sie sich in einer fremden Umgebung befindet und ich sie schmählich alleine zurücklasse um mir die Wampe vollzuschlagen.... Uli hat nämlich leckere Waffeln mit heißen Kirschen und Saaaahhhne vorbereitet, die bereites für uns gebacken werden.

In gemütlicher Runde am Küchentisch lassen wir den Ritt ausklingen. Ein genialer Tag, gut organisiert und durchgeführt. Danke Uli und Silvia für die Gastfreundschaft!
Ein unruhiger Blick auf die Uhr treibt mich wieder hinaus, ich mache mir immer schreckliche Sorgen, daß Minchen mal zu viel Gras bekommen könnte, ich halte sie streng auf Diät, um sie vor einem neuen Reheschub zu schützen. Kaum hat sie mich erspäht, kommt sie auch schon wiehernd angelaufen, es ist Dunkel, es ist fremd hier, es ist einsam und es ist Zeit für ihr Abendessen!
Die Decke ist natürlich längst durchgeschwitzt. Zum Glück habe ich gleich ein ganzes Arsenal an Decken eingepackt und ziehe ihr für die Heimfahrt eine trockenen Decke über. Minchen geht es jetzt garnicht schnell genug, doch zuerst wenden wir die Gespanne, bevor wir unsere fleißigen Pferdchen verladen. Billy stampft brav in den Hänger, Minchen wäre am liebsten gleich hinterherspaziert, doch sie hat ihr eigenes Gefährt, da muß sie jetzt einsteigen. Das paßt ihr nun überhaupt nicht, den neugewonnenen Freund hier und jetzt und viel zu früh verlassen zu müssen und sie bringt das deutlich zum Ausdruck. Unter Protest läßt sie sich in den Hänger bugsieren, immerhin ist es inzwischen völlig dunkel.

Heimwärts fahren wir wieder Kolonne, zurück über die kurvenreiche Bergstraße, bis wir an unserem Abzweig unsere Führerin und Organisatorin verlassen. Das Gäßchen hoch muß mein Auto Rasputin ordentlich ziehen und dann sind wir auch schon wieder zu Hause. Wotan schmettert uns lautstark seinen Gruß entgegen und auch Minchen sieht ein, daß dieser Hänger die richtige Wahl war, denn Billy ist nirgends zu sehen. Er ist sicher in seinem eigenen Stall aber wir fahren ihn bestimmt mal wieder besuchen, denn der Ritt in dieser Begleitung hat uns großen Spaß gemacht.

Jetzt zeigt sich auch, daß Fleece die richtige Wahl für einen Norweger ist, denn obwohl die Decke gut drei Nummern zu groß ist, trocknete Minchens Winterpelz gut ab. Während außen auf der Decke der Wasserdampf kondensiert, ist mein Pferd warm und trocken eingehüllt.
Gemistet haben wir schon und Minchen widmet sich gleich ihrem Futtertrog. Was für ein schöner Tag.
Wotan betritt brummelnd die Nachbarbox, auch er fordert seine Ration. Während die Pferde friedich kauen, kehre ich die Rampe und setzte den Hänger zurück in seine Nische. Die Pferde sind versorgt, die letzen Gute Nacht Lecker verteilt, ich mache mich - müde aber glücklich - auf den Heimweg. Kaum sitzte ich wieder im Auto, als die ersten dicken Regentropfen gegen die Windschutzschiebe trommeln. Moi, was haben wir mal wieder ein Glück mit dem Wetter!

Zum Abschluß Waffeln mit Sahne
Hmmmm was ein herrlicher Tag!
 
 
 

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