die traurige Geschichte vom verfressenen Pony

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Wie oft sieht man Ponies, die viel zu dick sind? Wie oft sterben Ponies einen viel zu frühen Tod, weil der Kreislauf die zusätzliche Belastung z.B. einer Kolik einfach nicht verkraftet? Wie oft quälen Ponies sich mit entzündeten Hufen über den Sommer, weil sie von einer schweren (und sehr schmerzhaften) Rehe befallen sind?
Leider viel zu oft.

Die meisten Ponies (Shetties, Haflinger, Norweger, Isländer) kommen ursprünglich aus recht kargen Gegenden, wo ein rauhes Klima nur spärlichen Graswuchs zulässt. Da ist eine gute Futterverwertung unerlässlich und den meisten Ponies daher angeboren. Nun finden diese Ponies bei uns üppige Weiden. Ihrer robusten Natur entsprechend werden sie auch oft so gehalten und bekommen ganztägigen Weidegang. Ein wahres Paradies? Nein, denn die Ponies werden unweigerlich fett und krank.

Aus leidvoller Erfahrung weis ich, daß diese Haltung für meine Norwegerstute der sichere Weg in den Tod wäre.

Erste Rehe aus Unwissenheit
Unsere Ponies blieben im Sommer den ganzen Tag (und auch nie Nacht) draußen. Mit der Anschaffung eines Norwegers änderten wir unsere Haltung nicht, bis die Norwegerstute schlimm lahmte und der Tierarzt eine Hufrehe diagnostizierte (Entzündung der Huflederhaut). Die Stute bekam Medikamente, Weideverbot, jede Menge Stroh und eine Verstopfung (Kolik). Außerdem mußte der Hufschmied den Huf aufschneiden, das Pferd litt Schmerzen. Die Gefahr bei einer Rehe besteht darin, daß das Pferd durch die Entzündung "ausschuhen" kann, indem sich der Tragrand vom Huf löst. Für ein solches Pferd gibt es (noch) keine Rettung, nur der Tod kann es von seinen Qualen erlösen. Nun, meine Stute schuhte zum Glück nicht aus. Nach vier Monaten war der Huf soweit nachgewachsen, daß sie mit einem Rehebeschlag wieder laufen konnte.

Zweite Rehe aufgrund einer Vergiftung
Die Ponies blieben im Sommer noch maximal sechs Stunden auf der Weide. Nun wurde im Frühjahr die Hecke geschnitten und weil die Ponies normalerweise woanders standen, hat der Gärtner die losen Zweige auf die Weide geworfen und dort vergessen. Die Ponies kümmerten sich auch nicht darum, wußten sie doch, daß Liguster giftig ist und außerdem war ja auch genügend Gras da. Nicht so die Norwegerstute. Dieses gefräßige Untier mußte natürlich den Liguster kosten und fand ihn offenbar schmackhaft. Die Bescherung wurde offensichtlich, als die Beine des Ponies bedenklich anschwollen und den Umfang von Elefantenbeinen bekamen: Eiweißvergiftung. Die Stute hatte sofort wieder eine schlimme Hufrehe. Wieder kam der Hufschmied und schnitt den Huf auf, wieder war die Prozedur für das Pferd sehr schmerzhaft. Diesmal riet der Tierarzt zu einem Aderlass. Der Verlust von ca. 10 Liter Blut wirkte Wunder, die Stute war praktisch sofort wieder gesund. Allerdings mußte zuerst der Huf nachwachsen, bevor die Stute wieder beschlagen und geritten werden konnte.

Dritte Rehe aus Ignoranz
Die dritte und hoffentlich letzte Hufrehe ist noch kein Jahr her. Unsere mittlerweile nur noch zwei Ponies waren bereits seit zwei oder drei Wochen angeweidet, also etwa bei 4 Stunden Weidegang täglich. Die Wiese war ungedüngt und, da sie auch im Winter benutzt wurde, nicht zu fett. Am 30. April 2000 wurden die Kühe über die Weide getrieben, so daß die Ponies für 1 1/2 Stunden auf die unberührte Nebenwiese ausweichen mußten. Diese 1 1/2 Stunden waren für die Norwegerstute bereits zu viel! Die Folge - Hufrehe: ein aufgeschnittener Huf, 4 Wochen tägliche Fußbäder und Umschläge, 4 Wochen Gips, 4 Monate dreibeiniges Humpeln über den Sandplatz und sichtliche Schmerzen für das Pferd aber endlich: Diät.

Ähnlich wie in der traurigen Geschichte von Nori (fs 10/2000 S.83), war die Stute viel zu fett und wurde nicht gearbeitet. Sie walzte mehr über die Weide, als daß sie lief und schwitzte sehr leicht aufgrund mangelnder Kondition. Außerem hielt kein Sattel, weil dieser einfach "wegschwabbelte" und ohne Sattel fühlte ich mich auch eher wie auf einer schlecht aufgeblasenen Luftmatraze im Wasser. Leider studierte ich 300 km weit weg und sie war auch nicht mein Pferd.

Nun, im September 2000 konnte sie endlich wieder beschlagen werden, seitdem kann sie wieder laufen. Wir (die Stute und ich) sind von der Privathaltung in einen Pensionstall mit ca. 30 Pferden und einer Kuhherde umgezogen, dadurch habe ich sie in meiner Nähe und sie mehr Bewegung (30 Pferde bewegen sich einfach viel mehr als zwei und ich reite sie regelmäßig). Den dreibeinigen Sommer verarbeiten wir mit Gymnastik und Dressur. Die Rippen sind inzwischen deutlich fühlbar, der Sattelgurt 20 cm kürzer, ein neuer Sattel mußte her, denn trotz der schlanken Figur hat sie immer noch Schultern statt eines Widerrists, nur sind diese viel knochiger als früher. Die Stute hat zu meiner Überraschung richtig Temperament entwickelt und ist überhaupt sehr arbeitsfreudig. Trotzdem habe ich vor der kommenden Weidesaison große Angst.

Zum Glück gibt es am Stall einen Diätpaddock und genügend Pferde, die um das frische Gras konkurrieren. Doch bevor die Pferde im Frühling auf die Weide dürfen, wird diese ersteinmal geschnitten. Trotzdem werden wir mit nur 10 Minuten Weide anfangen und auch nur dann, wenn ich  Zeit zum Reiten habe und auch erst dann, wenn die Weide bereits sichtbar begrast ist. Mein Schmied sprach davon, daß sie täglich 2 Stunden in eine Führmaschine sollte, wenn sie vollen Weidegang haben soll. Diesmal konnte er den Zustand der Hufe loben, mußte allerdings sehr lange Nägel nehmen, um den Reherand nicht abzusprengen. Vielleicht hilft meinem Mädchen die schlanke Figur, dosierte Weiderationen, die tägliche Hufpflege und viel Bewegung ihren 13. Sommer gesund zu überleben.

Rehehuf nach 10 Monaten Pflege. Der Ring zeigt die entstandene Wachstumsstörung aufgrund der Entzündung an. Der Tragrand kann sich hier immernoch abspalten!

Und die Moral von der Geschicht...
Ein Rehepferd darf hier überhaupt nicht auf eine frische Frühlingsweide! Die Weide muß wenigstens einmal runtergefressen oder gemäht sein, erst dann wird mit vielleicht 10 Minuten angegrast, im Sommer dürfen es dann bis zu 4 Stunden sein, mehr nicht, sonst platzt mein Pferd.

3 Jahre später
Mein Pferdchen ist auch Rehevorbelastet (2x), aber im Moment sieht es sehr gut aus, sie ist voll reitbar, muß aber vorne immer Eisen tragen, weil sie sehr fühlig ist, der Schmied ist sehr zufrieden, an den Hufen/weiße Linie würde man die Rehe nicht mehr sehen, aber sie ist etwas klopfempfindlich beim Nageln.

Sie stand früher Sommer wie Winter auf der Wiese und hat am 1. Mai eine Rehe bekommen, Futterumstellung kann als Grund ausgeschlossen werden, da keine Futterumstellung stattgefunden hat, aber das Pferd war zum Platzen FETT. Die zweite Rehe war durch eine LigusterVergiftung verursacht. Abhilfe schafft der Aderlaß!

Mit 12 Jahren habe ich das Pferd übernommen. Erste Maßnahme war abspecken, von der Kuhwiese in einen Pferdestall umziehen und einreiten (ich wollte ein Reitpferd haben). Seit dem werde ich zwar öfter angesprochen, daß mein Pferdchen für einen Norweger doch "viel zu dünn" wäre, aber dafür bleibt sie hoffentlich gesund und der Sattel hält. Btw, als Araber wäre sie immernoch DICK.

Was tue ich, damit sie gesund bleibt? Die Meinungen über die Auslöser gehen auseinander, aber Ursache ist immer eine Stoffwechselentgleisung/Blutvergiftung (darum hilft der Aderlaß), die sich in der Entzündung der Huflederhaut manifestiert. Also sorge ich dafür, daß der Stoffwechsel in Ordnung bleibt, ich füttere Leinsamen und Rote Beete zur Entschlackung und Naturjoghurt für die Darmflora sowie Kleie (in Maßen!) für die Verdauung. Kraftfutter gibts nicht, nur eine Prise Hafer für die Seele (setzt das mal in einem Pensionsstall durch...!) sowie Minerale/Spurenelemente, denn von Luft und Liebe alleine kann auch ein Fjordie nicht leben. Heu oder Heulage gut mit Stroh vermischen, Wiese absolut begrenzt, im Mai garnicht, nur 5 Minuten an der Hand für die Seele, im April/Oktober erst nach Sonnenuntergang, Juni - September stundenweise gegen Abend, dann kein Heu mehr, nur noch Stroh, im Winter zum Misten, wenn es der Zustand der Wiese erlaubt.
Außerdem achte ich darauf, daß sie schlank und fit bleibt, denn eine gute Gesamtkonstitution ist auch gut für den Stoffwechsel.

Ein Fohlen bekommt sie mit Sicherheit nicht, das wäre mir zu riskant. Und aus der Hand gebe ich sie auch nicht. Denn bei manchen Leuten kann man wirklich gegen die Wand predigen, die müssen ihre Erfahrungen selber machen und dazu ist Hufrehe einfach zu schmerzhaft für das Pferd.

Sie ist ein prima Reitpferd geworden und seit 3 Jahren rehefrei.
*toi toi toi

Hat noch jemand Tipps?