Rurseecup 2003

Angekündigter Dauerregen...
3. Oktober
Alles vorbereiten, Kostüm fertig genäht, geübt, Schmetterlinge im Bauch... Es regnet. Meine Reisegefährtin hat mal wieder kurzfristig abgesagt. Die Bindfäden werden immer dichter, die Staunachrichten immer länger und die Wetteraussichten immer trüber. Ich packe das Auto für ein Wochenende am Rursee in der Eifel. Auch die Pferde trotzden dem Daueregen. Irgendwann fällt die Entscheidung - ich fahre heute nicht mehr, sondern gönne meinem Pferdchen und mir noch eine Nacht im Trockenen. Trotzdem spanne ich an, schließlich haben wir viel geübt und wenn ich doch fahre, dann um 6 Uhr in der Früh, das lieben die Nachbarn...
Samstag 4. Oktober 4 Uhr
Der Regen prasselt unvermindert heftig auf die Straße. Mein Kopf sagt, "es ist viel zu früh zum Aufstehen", mein Verstand sagt "es wird kalt und naß werden, nimm genug trockenen Wäsche mit", mein Fahrrad sagt garnichts, es funktioniert einfach.
5 Uhr
Als wir aus der Kellertür treten, geschieht das Wunder: der letzte Tropfen fällt vom Himmel, zerplatzt auf den steinernen Stufen, verschmilzt in der Pfütze, löst sich auf in der Nässe der Nacht. Die Luft ist trocken. Trocken! Immernoch trocken radel ich am Stall ein.
5:30 Uhr
"Schön daß Du da bist, bitte füttere mich" sagt Minchen. Auch Wotan erhebt sich aus seinem Strohbett, müde blinzelt er mir entgegen. Es ist wirklich schrecklich früh. Bald schon kauen alle Pferde genüßlich ihr frühes Frühstück. Es ist stockduster. Minchen nörgelt ein wenig, daß ich sie von ihrem Heu weghole. Ob sie im Dunkel wohl überhaupt einsteigt, so kurz nach dem Urlaub? Licht besser an oder besser aus, ob ich meine Taschenlampe wohl anmachen sollte? Doch Minchen unterbricht meine Gedanken, indem sie schnurstracks in den Anhänger maschiert, dort wartet eine große Portion Silage.
6 Uhr
Na dann, kann es ja losgehen. Die Straßen sind frei, der Regen hat immernoch aufgehört und der Wetterbericht sagt für das Wochenende "nur noch" Schauer voraus, zum Teil sogar mit sonnigen Abschnitten. Man höre und staune.
7 Uhr
Wir verlassen die Autobahn. Mangels einer Ausfahrt "Zülpich" von der A61 nehmen wir Erftstadt, von dort führt eine Bundesstraße in Richtung Zülpich. Langsam dämmert es. Das Zwielicht reicht allerdings kaum aus, etwa die Wegebeschreibung zu lesen - aber ich kann sie inzwischen auswendig. Lampenfieber stellt sich ein. Wir kommen immer näher.
7:30 Uhr
Inzwischen ist es richtig hell. Pferdeanhänger sind keine unterwegs, ich stelle mir unter "Rurseecup" eine richtig große Veranstaltung vor und wundere mich ein wenig. Damals in Melle hatte ich gleich 8 Pferdeanhänger hinter mir. Ich erwarte eine richtige große Zeltstadt. Da, das verhängnisvolle Schild, Rursee/Schwammenauel (Veranstaltungsort) geradeaus, Heimbach (Wegebeschreibung) rechts, aber da stand ja auch Ausfahrt Zülpich von der A61... also entscheide ich mich für geradeaus und bin prompt falsch. Dieser Patzer kostet mich fast 30 Minuten. Ein kleiner Wanderparkplatz fordert meine ganzen Wendekünste, noch ein paar Serpentinen und wir sind da, fahren über den Staudamm, vor uns die malerische Kulisse des Rurstausee, rechts auf dem ersten Parkplatz campen ein paar Leute. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die paar Leute als Leute mit Pferden, das können nur Rurseecupteilnehmer sein. Fast wäre ich vorbei gefahren. Es sind dann aber doch noch ein paar mehr geworden. Für die kurze Distanz waren es immerhin 15 Starter, 4 für die Lange und 4 für die Gangpferdewertung.
8 Uhr
Angekommen!
Schnell zur Meldestelle - doch es ist noch Zeit, hier wird gerade gefrühstückt. Ich stecke für Minchen einen schönen Paddock ab, werfe ihr eine Regendecke über (es nieselt jetzt ein ganz klein wenig und ein nasses Pferd satteln ist echt blöd...) und lade aus. Zuerst zur Tierarztkontrolle, von Beruf Hufschmied. Puls 40, Atmung 16, alles in bester Ordnung. Vortraben und los geht es. Hier geht es ruhig und familiär zu. Wer fertig ist, kann starten. Ausgerüstet mit Karte, Wegebeschreibung und hilfreichen Ratschlägen, Warnung vor den wilden Mufflons sowie Zeitzugabe wegen glitschiger Passagen hängen wir uns an eine Gruppe Friesenreiter.
Es gibt eine große und eine kleine Distanz (32/16km) sowie einen Sonderwettbewerb mit Töltstrecke für Gangpferde. In der Pause bzw. im Ziel kann auf die jeweils andere Distanz umgenannt werden. Wir haben nur die kleine Distanz genannt und belassen es auch dabei. 16 km, 200 Höhenmeter und Sonntag ist ja noch der Ponyexpress.

Die Wege sind prima, zuerst führt ein geschotterter Wanderweg (feiner Split) am See entlang, optimales Geläuf für mein Minchen und töltende Isländer, dann geht es um eine Spitzkehre in den Wald hinauf, der zieht sich, da steigt Minchen aus. Doch kaum haben wir denn Kamm erreicht, trabt sie wieder los. Bald schon  sind die Friesen wieder vor uns. Nun wird es etwas abschüssig, naja, "steil" ist etwas anderes, aber hier geht man besser im Schritt. Nach wenigen Metern stoßen wir auf einen Wanderweg, hier kann man wieder flott traben. Jetzt kommen wir zu dem Abschnitt, wo tags zuvor die wilden Mufflons gesichtet wurden. Ich halte es nach wie vor für eine gute Trabstrecke, doch Minchen weigert sich strickt. Eine weitere Reiterin schließt von hinten auf, zieht im flotten Schritt an uns vorbei. Auf einem Stückchen Asphalt lasse ich Minchen verschnaufen, wir liegen sehr gut in der Zeit. Danach haben wir nur noch Waldwege, die zum Teil nach dem Dauerregen der letzten Tage ziemlich aufgeweicht sind. Mufflons, vor denen ja gewarnt wurde haben wir keine gesehen. Am Ende führt die Strecke durch eine Baumschonung, der Weg ist kaum zu erkennen. In der Spitzkehre ist es höllisch glitschig, da sind wir auch schon wieder am See. Die Strecke war gut markiert, außerdem gab es ja die Karte mit Wegebeschreibung.

Zum Aufwärmen gibt es deftigen Linseneintopf mit oder ohne Wurst zu moderaten Preisen. Wie gut sowas bei viel frischer Luft und Bewegung doch schmeckt!

Als auch die letzten Starter im Ziel und durch die Nachuntersuchung waren, war auch der Trail schon aufgebaut und zum Üben freigegeben. Eine quitscheorange Plane mußte überquert werden, Slalom um Pylone, durch zwei Paddockstangen mit Luftballons hindurchreiten, einen Kegel von einem Stuhl aufheben, um eine Tonne reiten und wieder absetzen, ein Stricktor durchreiten und über Stangen treten. Das war schon kompliziert, denn die lagen einigermaßen lose und Minchen hat sie auch prompt abgeräumt. Eigentlich ein recht einfacher Trail, aber so maches Distanzpferd hatte doch seine Probleme damit. Der Trail war für drei Gruppen aussgeschrieben, Anfänger/Jungpferde, Fortgeschrittene und Kreativ, die alle durcheinander gestartet sind. Die Veranstalter waren aber ziemlich flexibel, so daß ich genug Zeit hatte, nach dem F-Trail Minchen und mich für den KreativTrail zu dekorieren. Da hatte ich mir ziemlich viele Gedanken gemacht ...

Öfter auf Minchens Zebrastreifen angesprochen hab ich uns als "Janoschs kleiner Tiger mit Tigerente" genannt - Fahren vom Boden, denn die Tigerente (in diesem Fall ich) wird ja am Seil hinterher gezogen. Wenigstens einmal ausprobieren, bevor ich die Nennung abschicke. Ist das kreativ genug? Ist es das, was gewünscht ist? Hoffentlich beschweren die sich, wenn nicht.... Stoff oder Fingerfarbe? Stoff, weil Janoschs kleiner Tiger auch "Ringelstreifen" hat Außerdem läßt sich das leichter entfernen oder im letzten Moment kneifen. Wo finden wir ein Stoffgeschäft? Noch ein Gutes hat die Aktion, ich schlendere mal wieder durch Schleebuschs Fußgängerzone. Welche Trense? Na, das Ledergebiß natürlich, alles andere stört die Optik. Hoffentlich wächst da kein Gras beim Rurseefest... Und die Tigerente? Da basteln wir uns eine aus Holz und ich bind sie dann Minchen um den Hals. Oder eigentlich könnte ich diese Rolle ja auch selber spielen. Einradfahren wäre cool, kann ich aber nicht, Inliner oder Skateboard wird bei Naturboden schwierig, improvisieren heißt die Devise. Für die Räder könnte man weiße Pappteller nehmen. Die Idee gefällt mir immer besser, wenn ich noch meine Haare aufstelle, gehen wir richtig im Partnerlook "mein Pony und ich". Ein kleiner Tausendfüßler in meinem Inneren begibt sich auf Wanderschaft.

... ob wir wohl den Ansprüchen genügen, denn in der Ausschreibung war von "hohem Niveau" die Rede und als Beispiel "ungarische Post" oder reiten "mit Handpferd" oder "Reitbegleithund" genannt. Da begegnen mir die "3 Musketiere" mit ihren schwarzen Friesen, schön dekoriert mit vielen Luftballons, zusammen mit einem kräftigen Haflinger, aus den Lautsprechern eines am Rande geparkten Autos tönt die moderne Version von Nena's 99 Luftballons, das paßt. Auch ein Cowboy mit Handpferd präsentiert sich in diesem Kreativtrail. Die Schmetterlinge in meiner Magengegend vermehren sich rasant. Kneifen oder Durchziehen?


Minchen im Tigerententrail
Geübt hatten wir fleißig, sogar im Urlaub, ich habe das nämlich noch nie gemacht. Minchen ist zwar vor langer Zeit mal eingefahren worden und die ersten Tests klappten auch prima, aber ich mußte höllisch aufpassen, mich nicht in der extra für diesen Tag umgenähten Longe zu verheddern. Richtig schwere Hindernisse übten wir, das U oder Wenden auf der Stelle im Stangenviereck, Vorderhand kreuzen lassen, Schenkelweichen. Siedenheiß fällt mir in der Nacht auf, daß ich sie ja garnicht reite, wo das Ganze doch ein "Reiterwettbewerb" ist. Egal, jetzt ist es eh zu spät und irgendwie hat da ja auch was von "Freizeitpartner präsentieren" gestanden. Und Minchen hat das sooo toll gemacht, fast von alleine, denn den Trail kannte sie ja schon. Über die Plane, um die Pylone, durch das Luftballontor hindurch, den Kegel aufnehmen - hm, wohin mit den Leinen. Damit es nicht zu einfach ist vom Boden aus, muß Minchen natürlich brav anhalten, um die Tonne herum zum Tor. Auf den kleinsten Wink läßt sie sich am Tor rückwärst richten, gar nicht so einfach, als so langes Gespann, sich da hindurch zu manövrieren. Jetzt noch die Stangen, hoppla, da hab ich nicht aufgepaßt und Minchen ist beinahe an der letzten Stange vorbeigelaufen. Plumps, die Richtungsänderung nimmt sie übel, was solls, toll hat sie das gemacht, Super Minchen. Sogar einen Pokal haben wir für unseren Auftritt bekommen.
Spontan findet sich noch ein Männertrail zusammen, Männer, die sich sonst kaum auf ein Pferd wagen werden von ihren Frauen oder Freundinnen durch den Trail geführt. Natürlich wurde auch in dieser Kategorie ein Sieger gekürt.
Nach dem Trail konnten wir zur Siegerehrung schreiten. Prämiert wurden die Sieger aus den einzelnen Distanz- und Trailwettbewerben, außerdem gab es einen Preis für die Vielseitigkeit für das beste Teilnehmerpaar aus Distanz und Trail. Für Alle gab es Urkunden und einen handkreierten Glasteller mit dem Umriß vom Rurseecup darauf. Für den Sieger gab es ein passendes Weizenglas und eine Flasche Sekt dazu. Ohweh, die meisten packen nun ihre Sachen, doch ein kleiner Kreis bleibt noch. Ein Trupp fährt in die Pizzeria, ein Grüppchen bleibt bei den Pferden und läßt die Pizza per Service kommen. Hmmm, lecker! Plötzlich steht Minchen recht einsam in ihrem Paddock und wiehert sehnsüchtig über den See. Keine Antwort - gut, dann steigt sie eben in den Anhänger, zu blöd, daß die Stangen zu sind. Nicht lange gefackelt packten alle mit an, um Minchens Paddock in einer Gemeinschaftsaktion wieder näher an die restlichen Pferde zu bauen. Direkt neben einer Gruppe Isländer wirkt sie dann auch gleich viel glücklicher und wir sitzen noch bis Mitternacht am Lagerfeuer. Geregnet hat es natürlich nicht. Aber die Nacht wird eisekalt.
 
Miss Bird und Sonja über der Plane Abai und Silke am Luftballontor Abai skeptisch ...

Am nächsten Morgen gab es gemütlich Frühstück und ebenso gemütlich ging es in den Ponyexpress über, ein kombinierter Staffelritt aus Gelände (6 km) und Trail, wobei der Trail vom Vortag zu gehen war. Im Trab läßt Minchen die Stangen auch liegen, das war der Trick und unser Postsack ist gut gefüllt, als wir zusammen mit Abai und Silke auf die Strecke gehen. Eine Mannschaft besteht aus 2-6 Reitern, die die Strecke alleine oder zu zweit absolvieren, wobei ein Pferd die Strecke maximal zweimal laufen darf. Silke und Sonja waren mit Abai und Bird extra für den Ponyexpress aus Köln angereist, so bildeten wir ein starkes Dreierteam und hatten uns entschieden, jeweils zu zweit in jeder Kombination zu starten. Es nieselte ein wenig, aber zum richtig naß werden reichte es nicht aus. Der lange Berg ist auch wieder dabei. An der gleichen Stelle bei dem Holzstoß steigt Minchen wieder aus, während Abai gerne locker weitergaloppiert wäre. Heute wird nur die kleine Runde der gestrigen 8 verlangt, so daß Minchen die Strecke schon kennt, wir brauchen garnicht nach der Markierung schauen. Nur an der Kreuzung muß ich sie überzeugen, daß wir die Abkürzung nehmen. Minchen trabt flink voran, während Abai gemütlich nebenher galoppiert. Unterwegs mußte pro Runde eine Frage beantwortet werden, wobei es für die richtige Antwort wieder eine Postsendung für den Sack gab, während für die falsche Antwort einer abgegeben werden mußte. Der Posten ist überrascht, uns so früh wiederzusehen, denn auf dem Hinweg sind wir mit Rücksicht auf Abais Barhufe Schritt gegangen. Im Ziel wurden die Pulswerte der Pferde gemessen, lag der Puls unter 45, gab es pro Pferd einen Brief dazu, lag er über 55 Pulsschläge, mußte man eine Sendung abgeben. Die Zeit war großzügig bemessen, so daß niemand wegen Zeitüberschreitung Post abgeben mußte. Nun starten wir gleich noch einmal mit Sonja und Miss Bird an unserer Seite. Als zuverlässiges Trailpferd punktet Minchen wieder kräftig, bevor es auf die Strecke geht. Die selben Wege, selbes Spiel, denn auch Miss Bird ist Barhufer, darum reiten wir bis zum Wald im Schritt. Am Berg ziehen beide Pferde kräftig an, bis zu Minchens Holzstoß, wo sie auch diesmal eine Pause einlegt. Miss Bird legt einen flotten Trab vor, Minchen hintendrein. Nenne vier Teile einer Trense, da sind wir auch schon wieder am See. Die letzte Runde laufen Abai und Bird zusammen. Bird begeistert durch einen fehlerlosen Trail, da soll mal einer sagen, ein Rennpferd sei nicht nervenstark! Kaum habe ich mein Pferdchen versorgt und ich zur Ruhe gesetzt, da tauchen die beiden auch schon wieder am Parkplatz auf. So viel Vollblut ist halt doch ein wenig flotter unterwegs und hat obendrein noch beneidenswerte Pulszeiten. Am Ende wurden vor versammelter Mannschaft die Postsendungen gezählt und der größte Sack hat eine Flasche Sekt sowie sehr praktische Hüfttaschen gewonnen. Den Sekt haben wir dann ein Wochenende später in der Veluwe geköpft.

Eine kleine aber feine Veranstaltung, bei der ich mich auch als "Alleinreisende" und Nichtmitglied (im VEHP) schnell sehr wohl gefühlt habe.
 
 
 

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